Religiöse Unterströmungen politischer Konfliktlagen sind global gegenwärtig. In den USA greift der Boom evangelikaler Freikirchen mit seinen anti-institutionellen Affekten in habitualisierte Frontstellungen zwischen Demokraten und Republikanern ein. In Israel kulminiert die historische Einbettung der Religion in den Staat in der verfassungspolitischen Auseinandersetzung um jüdische Identität und demokratischen Anspruch. Im Iran behauptet sich mit Gewalt eine islamistische Diktatur unter der Ägide eines geistlichen Führers. Und in Russland legitimiert die orthodoxe Kirche Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Gleichzeitig verfügen Religionen über spezifische Ressourcen, Symbolhaushalte und Deutungsmuster zur Verflüssigung erstarrter Konflikte. Dies erweist sich namentlich in ihrer Paradoxiekompetenz: Im Gegenschnitt von Immanenz und Transzendenz, Universalitätsforderungen und Fragilitätssinn, eröffnen Religionen eigene Sichtachsen und Bearbeitungsmodi für politische Probleme. Wo immer sie Selbstbegrenzungen kultivieren, speisen sie kulturelles Wissen ein, Extremisierungen zu bearbeiten und Verständigungspotentiale aufzuzeigen.
„So viel Gott“ soll also nicht nur die neue Ubiquität politisch relevanter religiöser Bezüge markieren, sondern auch deren Pluralität, Dezentralität und Diskursivität. In diesem Sinne geht die Diskussionsveranstaltung der Frage nach, wie sich das ins Wort gestellte Verhältnis zwischen Mensch und Gott demokratisch lesen und für das Interagieren von Menschen, Völkern und Staaten produktiv machen lässt.