Die Präsenz von Opfern in unserer Gesellschaft changiert wie ein Kippbild zwischen Allgegenwart und tabuisiertem Verschweigen. Es ist nicht lange her, dass die Forderung „Opfer zu bringen“ symbolisches Herzstück politischer Rhetorik war. Angesichts der Flüchtlingskrise fällt hingegen auf, wie ein solches Wortfeld eher peinlich vermieden wird.
Gibt es heute noch Traditionen, die solchen Appellen Kraft und Glaubwürdigkeit diesseits bloßer Krisen-Rhetorik verleihen? Ermöglicht uns der Blick auf den Opfertod Christi die Erneuerung einer ernsthaften und gehaltvollen Rede vom „Opfer bringen“, oder ist die Kirche durch ihren eigenen Umgang mit Opfern in der Öffentlichkeit diskreditiert?
Solche Fragen fordern zur Neuvermessung des politisch-religiösen Feldes heraus. Es gilt, dem politischen und kulturellen Wandel nachzudenken, der an der öffentlichen Rede von Opfer kenntlich wird.