Was bedeutet es, wenn ein radikales Verständnis des Nationalsozialismus untrennbar mit dem Werk des bedeutendsten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts verbunden ist?
Martin Heideggers Sympathien für die konservative Revolution und den Nationalsozialismus sind seit langem bekannt. Als Rektor der Universität Freiburg in den frühen 1930er Jahren setzte er sich für die Umgestaltung der Universität im Sinne der nationalsozialistischen Politik ein. Er kämpfte auch mit aller Kraft darum, der philosophische Lehrer der Bewegung zu werden, “den Führer zu führen”. Doch jahrelang haben Heideggers Verteidiger versucht, seine politischen Überzeugungen von seinen philosophischen Lehren zu trennen. Sie argumentierten, dass er zwar gut in der Philosophie, aber schlecht in der Politik war. Doch mit der Veröffentlichung von Heideggers “Schwarzen Heften” im Jahr 2014 ist klar geworden, dass er eine weitaus radikalere Vision der konservativen Revolution vertrat als bisher angenommen. Es stellt sich heraus, dass seine Unzufriedenheit mit dem Nationalsozialismus vor allem darin bestand, dass dieser nicht weit genug ging. Die Notizbücher zeigen, dass Heideggers Philosophie keineswegs vom Nationalsozialismus getrennt war, sondern von ihm durchdrungen wurde.
In seinem jüngsten Buch “Heidegger in Ruins” untersucht Richard Wolin, wie die “Schwarzen Hefte” unser Verständnis eines der bedeutendsten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts verändern – und wie dieses Denken zugleich bis heute für die Erneuerung reaktionären Denkens einflussreich bleibt.