Angestoßen von den Katholischen Akademien in Deutschland wird ein Kreis renommierter Vertreter unterschiedlichster Disziplinen versammelt, um aus der Perspektive eines sentire cum ecclesia den religiösen Verschiebungen unserer Gegenwart nachzudenken. Der Studientag adressiert Gegenwartsfragen und bietet ein Forum, um den Austausch und die Vernetzung katholischer Stimmen zu intensivieren.
Die Pluralität und Dynamik einer globalen Metropole, aber gerade auch die spezifische religiöse Situation Berlins, machen die Stadt zu einem Experimentierfeld und Lernort der Kirche. Die Fragilität scheinbar selbstverständlicher Gewissheiten wird hier besonders deutlich sichtbar und weckt das Verlangen nach einer Deutung solcher Erfahrungen. Der darin zum Ausdruck kommende religiöse Wandel verlangt nach intellektueller Rahmung, und demonstriert damit die Aktualität katholischer Intellektualität. Der Streit um den Ort religiöser Bildung an öffentlichen Schulen, die Wirksamkeit substanzieller Menschenbilder und Religionsverständnisse, die in die gesetzgeberische Praxis eingehen, ohne einen angemessenen Ort öffentlicher Diskussion zu haben, sowie die heute neu wahrgenommene Dialektik von Säkularisierungs- und Sakralisierungsprozessen sind Beispiele dafür.
In konzentriertem Gespräch werden wir darum einen Tag lang die Frage vertiefen: Was kann katholische Intellektualität heute bedeuten? Die Frage enthält die Suche nach einem gemeinschaftlichen Geist, der katholische Akteure in heterogenen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Feldern verbindet. Wie verändern katholische Stimmen zeitgenössische Debatten, welche öffentliche Rolle kommt ihnen zu und lässt sich ein gemeinschaftliches Selbstverständnis katholischer Intellektualität artikulieren? Zu solchen Klärungen wird der Studientag herausfordern. Mit der Initiierung einer solchen Auseinandersetzung wollen die Katholischen Akademien einen Prozess der Selbstverständigung anstoßen, der nicht zuletzt die Präsenz katholischer Stimmen in der Bundeshauptstadt stärkt.
Der Ablauf ist wie folgt geplant: Zunächst werden Energien des Historischen für das aktuelle Ringen um ein Selbstverständnis katholischer Intellektualität erkundet. Welche Inspirationskraft und Vorbildfunktion enthalten die historischen Tiefendimensionen des Erbes katholischer Intellektualität angesichts zeitgenössischer Herausforderungen? Auf diese Vergegenwärtigung folgt ein Erfahrungsbericht, der das Wechselwirkungsverhältnis von kirchlicher Zugehörigkeit und wissenschaftlich-politischer Tätigkeit unter heutigen Bedingungen reflektiert. Ein solcher historisch-biographischer Zugang wird dazu anleiten, katholische Intellektualität als Denkstil zu konturieren und fassbar zu machen. Nachmittags werden darauf aufbauend zwei weitere Impulsreferate Anforderungen der Gegenwart verhandeln. Diese wollen auf blinde Flecken aufmerksam machen und exemplarisch Wirkungsfelder katholischer Intellektualität skizzieren. Mit dem Stichwort „Intellektualität und Kirche“ wird die Theologievergessenheit der Kirche thematisiert, die als Verlockung eines zunehmend einflussreichen Anti-Intellektualismus eine Herausforderung darstellt. Unter dem Titel „Intellektualität und Gesellschaft“ wird hingegen der Mehrwert einer katholischen Perspektive am Beispiel der Phänomene Macht und Herrschaft ausgelotet. Welches Aufklärungspotenzial birgt die Sicht katholischer Intellektualität auf solche ubiquitären Grundstoffe des Sozialen?