Eine solche Sichtweise ignoriert die zentrale Rolle, die britische Politiker und Beamte bei der Ausgestaltung des Europäischen Binnenmarktes wie auch in den Diskussionen um eine Erweiterung der EU nach Osten und Norden spielten. Sie verkennt, dass die politische Agenda der EU-Kommission heute durchaus britischen Vorstellungen entspricht: mehr Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz und Transparenz; die Verwandlung der Subsidiarität vom Schlagwort in eine Handlungsmaxime; ein Gespür für Prioritäten, was europäisch zu regeln ist und was nicht; weniger Bürokratie und mehr Zurückhaltung bei der Produktion neuer Gesetze; stärkere Einbeziehung der nationalen Parlamente – nichts davon widerspricht britischen Vorstellungen. Vor diesem Hintergrund fragt der Vortrag nach den entscheidenden Ursachen, dem wahrscheinlichen Verlauf und möglichen Folgen des Brexit.
Prof. Dr. Dominik Geppert ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er war von 2000 bis 2005 am Deutschen Historischen Institut in London und 2016/17 Gerda Henkel-Gastprofessor an der London School of Economics. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die internationalen Beziehungen vom 19. bis ins 21. Jahrhundert sowie die deutsch-deutsche und britische Nachkriegsgeschichte. Zuletzt erschien von ihm “Ein Europa, das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro” (2. Aufl., Berlin 2013).