Demut: Meister Eckhart und die Wiederentdeckung eines christlichen Grundbegriffs

Im Gespräch mit Meister Eckhart begegnet Demut jedoch nicht als Erniedrigung gegenüber einem Mächtigeren, sondern als Einsicht in das Geschenktsein menschlichen Lebens.

Demut bedeutet demnach, die Tatsache verinnerlichen zu können, dass kein Mensch sich selbst erschaffen hat, sondern sein Leben als Geschenk empfangen hat. Im Einüben dieser Einsicht kultiviert die demütige Person eine empfängliche Haltung, die ihre Untrennbarkeit von Umwelt und allem Lebenden ernst nimmt und als Voraussetzung des guten Lebens erkennt.

Donata Schoeller ist Gastprofessorin für Philosophie an der Universität von Island. Sie ist Leiterin des internationalen Forschungsprojekts Embodied Critical Thinking (ect.hi.is, trainingect.com). Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen gehören Close Talking: Erleben zu Sprache bringen (Berlin: De Gruyter, 2019), Saying What We Mean, hrsg. mit Ed Casey (Chicago: Northwestern University Press, 2017) und Thinking Thinking, hrsg. mit Vera Saller (Freiburg: Alber Verlag, 2016). Ihre Forschungsarbeiten zur deutschen Mystik führten zu den beiden Büchern Enthöhter Gott – Vertiefter Mensch. Zur Bedeutung der Demut bei Meister Eckhart und Jakob Böhme (2. Auflage, Alber 2009) und Gottesgeburt und Selbstbewusstsein. Denken der Einheit bei Meister Eckhart und G.W.F. Hegel (Bernward Modus 1992). Neben ihrer Forschung unterrichtet sie die philosophischen Achtsamkeitspraktiken Focusing und Thinking-at-the-Edge an Akademien und Universitäten in Europa, den USA und Israel. Donata Schoeller war Fellow am Max-Weber-Kolleg in Erfurt und ist derzeit Vorstandsmitglied von Mind and Life Europe.