Veranstaltungsarchiv

Anthropologie der Freiheit?

Menschenbild und freier Wille im Blick der Neurowissenschaft
Termin: 29.09.2016
Beginn: 19:00 Uhr
Ort: Katholische Akademie in Berlin, Hannoversche Str. 5, 10115 Berlin
Die Freiheit des menschlichen Willens ist eine fundamentale Prämisse unseres Alltagshandelns, von Rechtsprechung, Medizin, Psychiatrie und nicht zuletzt des christlichen Menschenbildes. Im Gespräch mit aktueller Forschung gilt es deren Status zu prüfen.

19.00 Uhr   Begrüßung: Dr. Stephan Steiner (Katholische Akademie in Berlin) 
                    Einführung: Prof. Dr. Josef Quitterer (Universität Innsbruck)

19.15 Uhr   Vortrag: Prof. Dr. John-Dylan Haynes (Bernstein Center for Computational
                    Neuroscience, Berlin)
                    Stellt die Neurowissenschaft die Willensfreiheit in Frage?
                    Eine Bestandsaufnahme

                    anschließend Podiumsgespräch mit:
                    Prof. Dr. Henning Saß, Prof. Dr. Geert Keil, Prof. Dr. Gabriele Werner-Felmayer

21.00 Uhr   Empfang

 

Wenn wir im Alltag von der Freiheit unseres Willens sprechen, so meinen wir oft die Fähigkeit, unter denselben Umständen anders handeln zu können. Diese Willensfreiheit setzen wir voraus, wenn wir einen Menschen für seine Handlungen loben oder tadeln: Gerade weil Menschen frei sind und in derselben Situation auch anders hätten handeln können, können sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Ohne Freiheit gäbe es keine Schuldfähigkeit des Menschen, die Rede von einer Verantwortung für unsere Taten wäre sinnlos. Willensfreiheit ist somit nicht nur ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Menschenbildes, sie ist auch das anthropologische Fundament unserer Gesellschaftsordnung.

Die von uns als selbstverständlich angenommene Willensfreiheit ist heute Gegenstand neurowissenschaftlicher Untersuchungen: Ein besonderer Stellenwert kommt hier den Forschungen des US-Amerikaners Benjamin Libet zu. Seine Studien deuten darauf hin, dass unsere Handlungen neuronal vorbereitet werden (Bereitschaftspotential), bevor sie uns als Entscheidungen bewusst werden. Neurowissenschaftler, Psychologen und Philosophen folgerten daraus, dass wir nicht tun was wir wollen, sondern wollen, was wir tun (W. Prinz). Die Annahme von Freiheit und Schuldfähigkeit sei wissenschaftlich nicht mehr haltbar, da wir nicht für das verantwortlich gemacht werden können, was unser Gehirn tut.

Großes Aufsehen erregte deshalb vor kurzem eine Studie Berliner Hirnforscher aus der Gruppe um John-Dylan Haynes (Bernstein Center for Computational Neuroscience), welche zeigen, dass die der Handlung vorausliegende Gehirnaktivität unser Verhalten keineswegs determiniert. Die Versuchspersonen konnten ihre Handlungen noch ändern, selbst wenn das Gehirn eine bestimmte Bewegung eingeleitet hatte. [FAZ, 30.1.2016]. John-Dylan Haynes präsentiert die Experimente seiner Forschergruppe und stellt die Resultate zur Diskussion.

Der Vortragsabend eröffnet zugleich den anschließenden Studientag „Anthropologie der Freiheit“. Namhafte Fachleute aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen loten nicht nur die Tragweite derartiger Studien für Menschenbild, Rechtsprechung, Theologie und Medizin aus. Die Pluralität der methodischen und inhaltlichen Ansätze soll darüber hinaus einen fruchtbaren Dialog zum Thema Willensfreiheit und der gesellschaftlichen Relevanz des Freiheitsdiskurses ermöglichen.

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Referenten
Gastreferenten
Prof. Dr. John-Dylan Haynes, Berlin; Prof. Dr. Geert Keil; Prof. Dr. Henning Saß, Aachen; Prof. Dr. Josef Quitterer, Innsbruck
Verantwortlich
Dr. Stephan Steiner
Referent
+49 30 28 30 95-151 E-Mail schreiben