Lektüreseminar Joseph und seine Brüder

Jetzt ist Joseph ein zweites Mal in die Grube gefahren. Und wieder kann er sich durch seine besondere Begabung daraus befreien und sogar zu Pharaos rechter Hand aufsteigen. Josephs tätige Klugheit rettet Ägypten und die umgebenden Länder vor der Hungersnot. Doch ist es allein sein Tätigsein? Ist es nicht vielmehr die Vollendung des Plans, den Gott ins Werk gesetzt hat – sehr zum Verdruss seiner Engel?

Der abschließende Band von Thomas Manns Romantetralogie entwirft ein Ethos moderner Lebensführung. An der Figur Joseph wird diskutiert, wie man ein angemessenes und gerechtes Leben gestalten kann mit Blick auf die Gemeinschaft. Menschliches Tun muss gerechtfertigt werden, wie der Roman zeigt.

In Joseph, der Ernährer wird das zwanzigste Jahrhundert in ägyptischer Verkleidung gezeigt. Thomas Manns Begeisterung für Franklin Delano Roosevelt, den 32. Präsidenten der USA, und seine als New Deal bekanntgewordene Wirtschaftspolitik wird übersetzt in Josephs Wirken an Pharaos Hof. Die biblische Frühzeit wird transparent für die unmittelbare Gegenwart der Entstehung des Romans. Josephs Geschichte, so der Roman, ist für uns heute von Bedeutung, weil sie eine Geschichte eines universalistischen Menschenbildes ist. Was der Roman als Unmittelbarkeit des Mythos erzählt, wird deutlich in der Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart, aus der eine zukünftige Gesellschaft gebaut werden soll.

Der vierte Band beginnt mit einem Vorspiel wie die Tetralogie als Ganze. Darum wird in der ersten Sitzung das Vorspiel Höllenfahrt rekapituliert, wie auch die ersten drei Bände nochmals in Erinnerung gerufen werden. Die gemeinsame Diskussion des vierten Bandes steht dann unter der Frage, was biblische Geschichte und Mythos, Glaube und Aufklärung mit der Moderne zu tun haben und warum ein biblischer Roman ein zeitgenössischer Roman ist.

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