In einer Zeit des aufkommenden Rationalismus tritt Teresa von Avila (1515-1582) mit ihren herausfordernden Schriften in den Vordergrund, die auf vielfältige Weise als Studien über das Innenleben gelesen werden können. Dies beinhaltet eine Innerlichkeit, die sich den strengen Gesetzen der neuen wissenschaftlichen Rationalität entzieht. Ihre Sprache spricht von einem tiefen Einschnitt des Körpers (corpus mysticum) und spielt mit den Grenzen eindeutiger Logik. Der bekannte französische Spiritualitätshistoriker und -philosoph Michel de Certeau (1925-1986) zeigt in seinen Studien über Teresa, wie die Beschreibung ihrer Erfahrungen als Paradigma eines neuen und alternativen Diskurses des 16. und 17. Jahrhunderts verstanden wird – der aufkommenden Rede über „Mystik“. Dieser Diskurs bewegt sich an den Rändern der vorherrschenden Rationalität und durchschaut seine entfremdende Struktur. Teresas Mystik bedeutet jedoch keine Rückkehr in eine heilige Welt, sondern steht dem Abgrund des Verlangens gegenüber. Es ist daher kein Zufall, dass sie im Mittelpunkt stand, als die Mystik zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. Die Hauptfrage war: Ist ihre Erfahrung pathologisch oder gibt es wirklich so etwas wie eine mystische Erfahrung?
In Kooperation mit der Denkerei.